Was macht eigentlich…
… Amador ?
Amador ist das beste Beispiel dafür, dass „Geduld und Spucke“ entlang eines roten Fadens wahre Wunder wirken können. Wir erinnern uns an ein Seminar mit der lieben Stefanie Niggemeier in 2017, in dem wir ein komplett trageerschöpftes Pferd erlebten, das uns die Tränen in die Augen trieb. Dies ist eine wirklich erzählenswerte Geschichte, denn dieses Pferd hat wirklich viele – sehr viele – Höhen und Tiefen durchlebt.
Angekommen im September 2016 schien erst alles normal zu sein, also so normal, wie erwartet, wenn ein Pferd in eine völlig fremde Umgebung kommt. Erstmal eingewöhnen…
Amador gewöhnte sich aber nicht ein, sondern wir gewöhnten uns an seine Eigenheiten: er wollte nicht draußen sein, aber auch nicht drinnen, und schon gar nicht mit anderen Pferden zusammen sein müssen. Was er akzeptierte, war einzig die freie Wahl. Was er machte, machte er dermaßen charmant, dass man ihm seine Wünsche gar nicht abschlagen konnte. Er brauchte – und bekam – sehr viel Aufmerksamkeit.
Was aber auffiel, war seine Hektik, vor allem beim Reiten, egal ob im Gelände oder in der Bahn. Es war, als hätte sich ein Schalter umgelegt, und eine Stimme sagte ihm, er müsse IRGENDWAS tun. Er tat dann auch IRGENDWAS, was man hauptsächlich mit einem unkoordinierten Rumhampeln beschreiben könnte. Jedenfalls passten die vier Beine überhaupt nicht zusammen.
Okay, also erstmal mindestens drei Schritte zurück und genau beobachten. Solange Amador einfach sein durfte, fühlte er sich wohl und hatte auch eine gewisse Art von Humor, indem er z.B. immer wieder den Werkzeugeimer meines Vaters wegtrug und ihn ansonsten verfolgte und begutachtete, was immer auch zu tun war. Ob hämmern oder sägen – je lauter, desto besser und interessanter! Man hatte inzwischen das Gefühl, er komme an.
Doch dann folgte eine erschreckende Beobachtung: je mehr er ankam, desto mehr fiel er in sich zusammen. Niemand verlangte mehr sein Rumgehampel, über das er sich offensichtlich identifiziert hatte. Auf diese Weise war er jemand. Er wusste: das wollen die Menschen sehen, so bekomme ich Anerkennung. Aber jetzt wollte das niemand mehr sehen. Und so zog sich Amador in sich selbst zurück.
Die Hufe waren von Anfang an sehr schlecht gewesen – rundum mit zu schweren Eisen beschlagen und viel zu lang. Doch ohne einen Beschlag vorne konnte Amador nicht laufen. Neuer Versuch: Kunststoffbeschlag. Außerdem vorsichtige (aber deutliche) Umstellung der Hufe. Entwicklung eines Trainingsprogrammes, mit dem Ziel fürs Pferd, Körperbewusstsein zu entwickeln. Es war deutlich zu sehen, dass Amador seine Hinterbeine nicht wirklich „benutzte“ und dass er offensichtlich keinerlei Gespür für sein linkes Hinterbein hatte. Er hatte es einfach „ausgeschaltet“. Mit anderen Worten: dieses Pferd musste laufen lernen!
Während der nächsten Zeit machten Körper und Seele wohl Höllenqualen durch. Eine vernarbte Zunge machte ihm das Tragen eines Gebisses unerträglich. Vieles machte ihm Angst, alleine die wechselnde Führposition, die er zunächst nur an seiner linken Schulter ertrug.
Es folgten Physio- und Osteopathie, Zahnbehandlungen, Haaranalysen und Homöopathie, gezieltes Training, konsequente Weiterbildung, Vernetzung mit Spezialisten und dabei immer darauf bedacht, nicht vom roten Faden abzuweichen; konsequent sein und aufmerksam zuhören, fordern, ohne zu überfordern; spüren, wann es an der Zeit ist, das nächste sensible Thema anzugehen. Und vor allem: Sicherheit vermitteln.
Ein Röntgenbefund der beiden Vorderhufe zeigt eine beidseitige Hufbeinsenkung. Damit erklären sich einige hartnäckige Probleme. Es besteht eine Chance, wenn sie auch klein ist, diese Senkung in den Griff zu bekommen. Amador trägt nun einen Alubeschlag, der in kurzen zeitlichen Abständen überprüft wird. Die Zehe wurde noch einmal dramatisch gekürzt.
Ich habe die Bilder im direkten Vergleich eingestellt. Man sieht eine Entwicklung, die ich fast nicht für möglich gehalten hätte. Amador sieht inzwischen aus wie ein Pferd, er fordert andere Pferde zum Spielen auf, indem er um sie herumtanzt und alles, was er gelernt hat, übt er fleißig auf dem Paddock. Er ist auf einem guten Weg und fängt an zu verstehen, wie er Bewegung für sich nutzen kann. Er hat zu sich zurückgefunden und darf sein und zeigen, was er ist: stolz und schön!